Vergangenen Frühling trank ich während 5 Tagen nur Gemüsesäfte und Tee und machte damit gute Erfahrungen. Dieses Jahr möchte ich den Prozess schriftlich festhalten, damit ich später noch weiss, worauf ich mich einlasse.
Zusammen mit zwei Mitstreiterinnen startete ich an einem Sonntag in die Fastenwoche. Das Programm bestand aus Leinsamen und Pflaumensaft zum Frühstück, am Mittag gab es eine warme Gemüsesuppe und am Abend Leinsamen und eine Tomatensuppe. Dazu kamen eine Flasche Saft und so viel Tee oder Wasser über den Tag verteilt, wie gewünscht.
Du fragst dich vielleicht, was genau Fasten mit Revealed zu tun hat? Beim Fasten nehme ich mir ganz bewusst Zeit, um mich selber zu reflektieren. Ohne „Ablenkung“ des Alltags mit Kochen und Essen kann ich mich anders auf meinen Körper einlassen. Genau dieser Prozess steht auch im Zentrum von Revealed, wo du deiner sexuellen Geschichte eine Stimme gibst.
Tag 1 – Leiden
Warum habe ich mich bloss dafür entschieden, fünf Tage nichts zu essen? Ich bin schlecht gelaunt, leicht hungrig, habe Kopfschmerzen und friere. Ich beschliesse nach draussen zu gehen und den Kopf zu lüften. Das hilft vor allem für die gute Laune. Das Hungergefühl bleibt, gegen das Frieren ziehe ich eine Schicht mehr an.
Ich habe diesmal das Fasten ohne vorgängiges Durchputzen des Darms mit Glaubersalz begonnen. Vielleicht ist das der Grund für mein Hungergefühl und die Kopfschmerzen. Möglicherweise verspüre ich auch gar keinen Hunger und mir ist bloss langweilig. Vermutlich bin ich auch grantig geworden, weil ich nichts knabbern darf, um mich abzulenken. Weil ich den ganzen Tag sehr müde bin, gehe ich auch früh schlafen.
Tag 2 – Natur hilft
Noch immer ist mir kalt und der Kopf schmerzt. Ich ziehe mehr und wärmere Kleidung an. Die Laune ist wieder im Keller. Ob es daran liegt, dass ich gerade meine Mens bekommen habe? Vielleicht liegt es auch daran, dass ich es nicht mehr gewohnt bin, zu entspannen? Einfach mal nichts zu tun und dies auch okay finden. Wenn ich nicht die Unterstützung meiner zwei Mitfasterinnen hätte, wäre das Programm hier für mich beendet.
Ich fahre also mit der Entschleunigung fort und gehe Spazieren. Nach einer guten halben Stunde bessert sich meine Laune. Ich weiss ja, wie gut mir Bewegung in der Natur tut und nehme mir vor, jeden Tag nach draussen zu gehen, egal wie ich mich fühle.
Tag 3 – Gefühle ergründen
Noch immer denke ich, dass Fasten dieses Jahr schwieriger ist, als im Vorjahr. Liegt es daran, dass ich es meisterlich verstehe, schlechte Erinnerungen zu vergessen und nur die positiven Aspekte zu behalten?
Mein Magen fühlt sich seltsam an. Ein Gefühl, das ich schon lange nicht mehr gefühlt habe und das schwierig zu beschreiben ist. Hunger trifft es nicht, ein Völlegefühl ist es auch nicht, eher eine Art Unruhe. Hat das Gefühl in meiner Magengegend mehr mit meiner Stimmung zu tun, als mir bewusst ist? Wie oft habe ich also in dieses schräge Gefühl hinein einen Snack genommen, ohne der Ursache auf den Grund gegangen zu sein? Ich beschliesse, nach der Fastenwoche vermehrt darauf zu achten und meine Gefühle besser zu ergründen.
Ich wollte ja fasten, um mich wieder einmal von innen zu Reinigen. Das Abführmittel habe ich bewusst weggelassen, weil wir am dritten Tag eine Colon-Hydro-Therapie mit Bauchmassage gebucht haben. Obwohl die Behandlung gut getan hat, bin ich an diesem Abend noch müder als an den zwei Tagen vorher.
Tag 4 – Energie
An diesem Morgen steigt mir im Gegensatz zu den vorangegangenen Tagen nicht innerlich der Duft frischen Brotes in die Nase und macht mich missmutig. Stattdessen tröste ich mich damit, dass ich über der Hälfte bin und erwarte mit Freuden den Freitag, wenn Knäckebrot als Beilage zu den Säften wieder dazugehört.
Erstaunlich finde ich, dass ich trotz der extrem reduzierten Kalorienanzahl genügend Energie besitze, um eine Velotour zu machen. Wichtig dabei ist natürlich, dass wir mit E-Bikes unterwegs sind. So kann ich zwar in meinem gewohnten Tempo unterwegs sein, kann aber die Unterstützung (vor allem bergauf) entsprechend anpassen. So laufe ich auch nicht Gefahr, allzu viel zu wollen und meinen Körper zu überfordern. An diesem Abend freue ich mich sehr auf die Tomatensuppe, welche wir mit Knoblauch verfeinern.
Tag 5 – Euphorie
Langsam macht sich die Euphorie breit. Ich sehe vor allem die positiven Effekte. Ich fühle mich wohl in meinem Körper, die Entschleunigung hat gutgetan. Die Zeit, welche nicht fürs Kochen benötigt wird, kann ich mit Entspannen, Lesen und Stricken füllen. Gleichzeitig habe ich auch ganz viele Pendenzen abarbeiten können.
Fasten ist letztendlich auch eine Form von Selbstliebe: durch reduzierte Nahrungszufuhr wird dem Körper eine Auszeit gegönnt, damit er sich erholen kann. Während des Fastens war die Planung des Aufbautags und der anschliessenden Menus eine freudvolle Beschäftigung. Tatsächlich gibt es auch die ersten einheimischen Spargeln zu geniessen, wegen des kalten Wetters war dies lange nicht sicher.
Am Anfang hatte ich extrem Mühe, die gewonnenen Zeit für mich sinnvoll zu nutzen. Wenn ich erneut eine Fastenwoche planen sollte, muss ich mich daran erinnern, keine zusätzlichen Pläne zu machen. Nur Entspannung und Entschleunigung, damit ich mich nicht noch zusätzlich unter Druck setze.
Tag 6 – Brunch mit Freude
Erst jetzt fällt mir auf, dass während der letzten Tage nie ein Kaugeräusch zu hören war. Fastenbrechen mit Knäckebrot macht unglaublichen Spass! Tschüss Gemüsesäfte, wir sehen uns nächstes Jahr wieder!